Rotes Antiquariat

Von Designobjekten und bleibenden Werten

Text: Paulina Tsvetanova

Rotes Antiquariat

Rotes Antiquariat, Filiale Berlin-Charlottenburg

Jede Tendenz ruft eine Gegentendenz hervor. Die beliebige Verfügbarkeit bedeutungslosen Kitsches und scheinbar grenzenlose „Geiz ist geil“-Vermüllung befördert bei anspruchsvollen Menschen geradezu das Bedürfnis nach Stilechtem, nach Gegenständen, die Geschichte atmen: nach Vintage Design. Design-Klassiker, deren Formen die Moderne prägten, werden in ihrer Bedeutung immer mehr geschätzt. Beim Roten Antiquariat stehen Objekte der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts im Mittelpunkt. Vom Möbelbau bis zur Typographie – ein neues Design prägte diese Zeit der großen Umwälzungen in Kunst und Kultur. Sie gingen als „die goldenen zwanziger Jahre“ in die Geschichte ein. Für die Designer des Funktionalismus stand der Mensch im Mittelpunkt. Der „Bauhaus-Stil“ wurde zum prägenden Begriff für diese moderne Gestaltung in Architektur und bildender Kunst, bei den alltäglichen Gebrauchsgegenständen und dem Typodesign der Druckerzeugnisse. Das Rotes Antiquariat bietet schon lange Bücher, Plakate und andere originale Papierzeugnisse der klassischen Moderne an. Dieses Angebot findet jetzt eine kongeniale Ergänzung durch Design-Klassiker. Dabei finden Sie sowohl klassische Stahlrohrmöbel, die zum Teil in Thonet-Lizenz in der damaligen Tschechoslowakei produziert wurden, wie auch Lampen aus den 30er Jahren, entworfen von früheren Bauhaus-Designern wie Marianne Brandt und Christian Dell. Die Gestaltung von Gebrauchsgegenständen durch den tschechisch-amerikanischen Grafik-Designer Ladislav Sutnar wurde in den letzten Jahren durch Ausstellungen auch international bekannt. Die von ihm entworfenen Kaffee- oder Teeservice aus den 30erJahren sind selten. Beim Roten Antiquariat können Sie komplette Sätze in Glas und Porzellan kaufen. Ein Teil des Angebotes an Vintage Design Klassikern werden Sie auch bei PAULINA’S FRIENDS im Bikini Berlin finden.

Freischwinger

Zwei Freischwinger. Stahlrohr mit Armauflagen aus Holz. Sitz- und Rückenfläche aus Korbgeflecht. 1930 Jahre. H. 92 cm, B. 57 cm, T. 46 cm. (Bestell-Nr. KNE 28149)

Korbgeflecht erneuert. – Die besondere Form des Stahlfußes erinnert an Entwürfe des tschechischen Architekten und Designers Ladislav Žák (1900  -1973). Er studierte von 1919 bis 1924 an der Akademie für Bildende Künste, um dann als Maler, Architekt, Möbel-Entwerfer und Publizist tätig zu sein. Žák war ein bedeutender Förderer des funktionalistischen Interieurs und entwarf für kleine und „minimale“ Wohnungen u.a. herausklapp­ba­re Wandschränke und eben Stahlrohrstühle und -sessel, obwohl letztere wegen ihrer Größe letztendlich nur Villen möblieren konnten. Er wirkte als einer der bedeutendsten Architekten seiner Zeit auch bei Projekten des tschechischen Werkbundes (SCSD) mit (vgl. Jan van Geest: Stühle aus Stahl. Köln, 1980. S. 117). In der Diskussion über Vor- und Nachteile der Metallmöbel gegenüber den meist als „wärmer und gemütlicher“ empfundenen Holzmöbeln schreibt Žák 1932 in einem Artikel: „Dies ist eine recht merkwürdige Erscheinung besonders bei jungen Leuten, die zu einer neuen, sportlich erzogenen Generation gehören. Der abgehärtete junge Mensch, der an einem Wettschwimmen im Winter teilnimmt, zittert vor Kälte beim Anblick eines Stahlstuhls! Es gibt keine andere Erklärung für dieses Phänomen als ‚Nerven aus vergangenen Jahrhunderten‘ wie dieses archaische Empfinden von Adolf Loos richtig benannt wurde.“ (Ebenda, S. 163.)

Lampe

Schreibtischlampe Idell 6631. Stahlrohr- bzw. Blechkonstruktion, teils verchromt und orange lackiert. Kaiser & Co., Neheim Hüsten. Um 1936. H. 48,5 cm. (Bestell-Nr. KNE28047)

Gemarkt „ORIGINAL KAISER-idell“. – Entwurf von Christian Dell, der schon während seiner Tätigkeit als Leiter der Metallwerkstatt am Bauhaus Weimar (1922 - 1925) und als Dozent an der Frankfurter Kunstgewerbeschule (1926 - 1933) zahlreiche Arbeits- und Büroleuchten entworfen hatte.

Teeservice

Sutnar, Ladislav: Teeservice bestehend aus 6 Tassen mit Untertassen, Teekanne, Milchkännchen, Zuckerdose und Essenzkännchen. [Hitzebeständiges Glas.] Hersteller: Kavalier. 1931. (Bestell-Nr. KNE26441)

Sutnars Service stimmt in seiner Transparenz und ellipsoiden Form mit den Grundsätzen des Funtionalismus perfekt überein und ähnelt mit seinem progressiven Design Wagenfelds bekanntem Je­naer Teeservice, das dieser ebenfalls 1931 entworfen hatte. Die Aussage Alena Adlerovás, Sutnars Entwurf wäre zeitlich vor Wagenfelds Design entstanden, ist in Fachkreisen allerdings umstritten (vgl. Alena Adlerová: Krásná jizba und Bauhaus.  In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar. 26. Jahrg., Heft 4/5, 1979. S. 425ff). – In den Jahren 1930 - 1933 verkaufte die KJ in ihren Zweigstellen auch Artikel des Bauhauses. – In den zwanziger Jahren begann das Glaswerk „Kavalier“ in Böhmen mit dem Versuch, hitzebeständiges Glas, das bis dahin nur für den Laborbedarf genutzt wurde, auch für die Herstellung von Haushaltsware einzusetzen und ab 1931 ließ Krásná jizba das Teeservice exklusiv dort herstellen. – Ganz zu Beginn der Produktion bestand der Henkel der Teekanne aus Bakelit, er wurde doch schon bald durch einen Griff aus Holz ersetzt. – Design in action, Abb. S. 122.