Wir machen es. Wir RoCen Berlin

Wir machen es. Wir RoCen Berlin

Wir machen es. Wir RoCen Berlin

 

Martin Fritz ist Visionär, Magazinmacher und Herausgeber.

Seit drei Jahren ist er in Berlin. Seit drei Jahren arbeitet er in der Hauptstadt als Herausgeber von „LUST AUF GUT“, ein Magazin zum „Loben und Ausloben“ von Für-Sprechern, Machern und Unternehmen für all die, die Freude am GUTen haben. Sein Konzept nennt er „unwerbliche” Werbung für das Gute und Soziale. „LUST AUF GUT“ ist für ihn eine Frage der Haltung.

Interview: Paulina Tsvetanova

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Hallo Martin, Du arbeitest für LUST AUF GUT. Euer Stadt-Magazin gibt es mittlerweile in mehr als 21 Städten, aktuell habt ihr schon 79. Stadt-Magazin publiziert. Drei bereits in Berlin. Jeweils mit einer Auflage von ca. 10.000 Exemplaren. Was verstehst du unter „gut“?

Gut ist für mich alles, was Qualität hat und einen wirklichen Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Darum steht das GUT bei LUST AUF GUT für gutes Design, gutes Handwerk, gute Ideen, gute Architektur – einfach GUTe Qualitäts-Kultur. In unserem Magazin und auf unserer Plattform präsentieren sich ein inspirierender Querschnitt aller Disziplinen und Branchen. LUST AUF GUT bietet denjenigen Marken und GUTmachern in Deutschland eine großzügige Plattform, die für das GUTe und GUTgemachte stehen. Oder anders formuliert: LUST AUF GUT ist unser gesellschaftliche Gegenentwurf zu „Geiz ist geil .“ Ja, „LUST AUF GUT“ ist für uns eine Frage der Haltung.

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Ausgaben des Printmagazins „LUST AUF GUT“

Hat ein neues Print-Magazin in Berlin überhaupt eine Chance auf Erfolg ?

Bis heute haben wir 79 Magazine von LUST AUF GUT publiziert. Und 14 Spezial-Magazine. Und das mit über 3.500 Beiträgen. In mehr als 21 Städten. Bis Jahresende kommen voraussichtlich 20 weitere Stadt-Magazine dazu. Auch wieder zwei Magazine in und für Berlin. Also Print lebt. Und wie. Aber LUST AUF GUT ist auch online. Mit über 350 Fürsprechern, die ihre Stadt oder Region ausLOBEN. Und noch recht frisch mit einem kleinen Shop, sozusagen einem Shöpple. Schauen Sie mal rein. Oder öfters. Denn das Internet lebt. Und wie. Beide zusammen bilden eine sinnvolle Melanche. Und wie.

Martin und Claudia Fritz

Martin Fritz und seine Frau Claudia Schuhmacher-Fritz

Wie bist Du dazu gekommen, ein Magazin mit dem Anspruch „Lust auf Gut“ hier in Berlin auf die Beine zu stellen?

Nach dem BWL-Studium und meinen Wanderjahren in der Agenturenwelt und in der Industrie habe ich mich 1990 mit meiner Marketingagentur in Karlsruhe selbständig gemacht. Also vor 26 Jahren. Gute Gestaltung hat mich schon immer bewegt. So kam ich zu „LUST AUF GUT“. Thomas Feicht, der Gründer der ersten Republic of Culture (RoC), hatte uns vor 5 Jahren eingeladen, mit ihm und anderen guten Gestaltern die Magazinidee weiter zu entwickeln und herauszubringen. Wir sind also eine Art Presseleute- und Gestalter-Kollektiv. Er selber publiziert das Magazin LUST AUF GUT in den Städten Freiburg und Frankfurt. Uns hat er gefragt, ob wir die Städte Karlsruhe/Baden-Baden aufbauen wollen. Und da wir auch gute Kontakte nach Berlin haben, war es für uns eine wunderbare und weitere Herausforderung, das Magazin LUST AUF GUT über Berlin und für die Berliner zu machen. Eben für die Hauptstadt. Da gibt es ja auch sehr viele interessante Leute und gute Manufakturen.

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Ausgabe Nr. 68 – Berlin und drum herum

Welche Idee verfolgt Ihr mit „LUST AUF GUT“? Was wollt Ihr erreichen?

Mit „LUST AUF GUT“ wollen wir ein Netzwerk voller Lob aufbauen. Ein Hauptstadtmagazin der ganz besonderen, anderen Art. Mit Für-Sprechern, Lobern pro Stadt und Region für Menschen, Macher, Läden, Galerien, Künstler, Soziales, Plätze, Köche, Fotografen, und was unsere Mitmacher so GUT finden. Mit Kooperationspartnern. Mit Neuem, Besonderem. Mit regelmäßigen Netzwerktreffen. Und immer aufbauend auf Respekt und auf Augenhöhe. Seit 2015 auch mit einem kleinen „Shöpple“ über alle Bereiche: Design, Fotografie, Genuss, Kunst, Mode und „schau mer mal“. Bestimmt geht es uns und allen Mit-Machern nicht um Hochkultur gegen Design gegen Schnick-Schnack. Uns geht es aber nicht um Abgrenzung, sondern um eine ganzheitliche An-Sicht der Kultur. Wir wollen loben, ausloben. Die, die einfach versuchen, die Dinge gut zu machen. Aber ehrlich – es geht schon etwas gegen die Billig-Billig- und die Geiz-Kultur.

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Euer Magazin bietet Raum für Unternehmen mit manufakturorientiertem, qualitativem und sozialem Anspruch. Worin unterscheidet Ihr euch von anderen Magazinen? Wer ist genau in eurem Fokus?

Wir machen unsere Magazine für ein Zielgruppe mit Qualitätsanspruch. Unser Konzept beschreibe ich so: Wir betreiben eine Art der „unwerblichen” Werbung. Das Konzept von LUST AUF GUT ist, durch den Verzicht auf Firmen-Logos und einer durchgängigen Gesamtgestaltung, die das Magazin als Ganzes im Auge hat, GUTes in den Vordergrund zu stellen. Macher, Manufakturen und soziale Projekte, wollen wir einladen dabei zu sein. LUST AUF GUT ist darum nicht einfach nur ein Magazin, es ist vor allem ein Netzwerk-Produkt, bei dem die Guten die Guten empfehlen, Veranstalter sich mit Markenmachern vernetzen und zum Dialog und freien Austausch über gute Produkte und das GUTgemachte angeregt werden. Ich darf an dieser Stelle Oscar Wild zitieren: „Persönlichkeiten, nicht Prinzipien bringen die Zeit in Bewegung.“ Damit ist LUST AUF GUT eine gute, solitäre Plattform – anlog und digital –, um diese Marken, diese Produkte oder Dienstleitung und lokale und soziale Projekte zu unterstützen und zu fördern. Das machen wir lokal, und für die die möchten, auch städteübergreifend oder bundesweit.

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Wie begegnet ihr der Gefahr des Social Washings? Einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey von 2013 zufolge spielt Nachhaltigkeit von Produkten und Unternehmen bei inzwischen fast 90 Prozent der Kaufentscheidungen von Kunden eine Rolle. Auch darum machen immer mehr Unternehmen auf grün und sozial, auch wenn sie es nicht sind. Greenpeace hat dafür extra die Seite stopgreenwash.org ins Leben gerufen. Werden die Unternehmen bei Euch geprüft?

Moment, LUST AUF GUT ist nicht einfach so zu buchen! Wer dabei sein möchte, braucht eine Empfehlung oder wir suchen das Gespräch mit ihm. Und das Thema Social Washing ist uns durchaus bewusst. Auf der anderen Seite können wir aber auch nicht hinter alle Vorhänge schauen. Hier ist oft gesunder Menschenverstand hilfreich. Und, da wir mittlerweile aus vielen Branchen schon Mitmacher in unseren Reihen haben, ist das für uns eine gute Chance um Rücksprache zu halten, also Empfehlungen einzuholen oder zu hinterfragen: So führen wir zum Beispiel mit Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg FÖL Gespräche, um mit seinen Empfehlungen Bauern und handwerkliche Produzenten – aus Brandenburg und Berlin – aus dem Bereich Ackerbau, Viehzucht und Verarbeitung besser für unser Magazin auswählen und einladen zu können. Genauso sind wir im guten Gespräch mit Slow Food Berlin, mit Lars Jäger. Das Groß- und Hauptstadt-Convivium kennt die kulinarischen Einflüsse, die sich in Berlin zu einer einzigartigen Melange verbinden. So entsteht viel Hintergrundwissen, auf dem wir aufbauen, und mit dem wir unsere sinnliche Netzwerk-Plattform immer weiter erweitern.

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Was macht Berlin so besonders, so anders? Was bewegt dich, hier dieses Magazin-Projekt zu machen?

Berlin ist Kultur. Berlin ist Zentrum. Berlin ist Bewegung. Berlin ist Wesenszug vieler Ideen und Lebenskonzepte, die morgen Deutschland weiter entwickeln, vielleicht auch gut mit verändern. In Berlin haben wir seit ein paar Jahren ein Büro. Also lag es für mich auf der Hand, dass wir auch hier das Magazin LUST AUF GUT als Verleger herausbringen wollten. Hat gut geklappt. Aktuell arbeiten wir an der vierten Ausgabe des Stadt-Magazins. Wir haben da noch viel vor. Denn von hier aus können wir die anderen RoC Republicen und deren Mitmacher unterstützen und ihnen gleichwohl auch Hauptstadt-Repräsentanz sein. Wer möchte, den vernetzen wir über die Stadtgrenzen hinaus. Für mich ist auch wichtig: Berlin sollte wie unser LUST AUF GUT immer bezahlbar sein und bleiben. Auch für Einzelkämpfer, Künstler, kleine Läden und Manufakturen. Das ist die gute Chance für Berlin, guten Idee von guten und engagierten Mit-Machern guten Raum zu geben und dadurch der Stadt einen weiteren GUTen Mosaikstein der Kultur hinzuzufügen. Manchmal hören wir schon, dass wir eine besondere Art der Wirtschaftsförderung sind. Das schmeichelt uns dann schon. Aber es stimmt. Und das ist gut so.

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Was sind eure Pläne mit und rund um die Magazine? Wie wird sich die RoC Republic of culture weiter entwickeln?

Wir arbeiten am vierten Stadtmagazin, wird im November 2016 publiziert. Im Sommer hatten wir unser erstes LUST AUF GUT zum Thema der Speisekulturen in Berlin & Brandenburg publiziert. Hier wird das zweite Magazin auch im November veröffentlicht. Darauf freuen wir uns als Macher schon! Wir wollen gutes Handwerk und gute Produzenten, die sich um ein faires Miteinander bemühen, unterstützen. Das Wissen darüber hat jeder Bürger verdient, der sich dem Thema zuwendet und öffnet. Zum Schluss dient es dem Bürger und der Gesellschaft. Und das ist doch GUT so. Für 2017/2018 planen wir einen Concept- und Pop-up-store. Das Konzept haben wir dafür fertig. Hier suchen wir den Raum. Und Gespräche mit Investoren. Wir haben viel für und mit der Hauptstadt vor. Also die Zukunft wird spannend. Wir machen es. Wir RoCen Berlin.

Danke, Martin, und weiterhin viel Erfolg!

Romanian Autor – art magazine and fair

Romanian Autor – art magazine and fair

Romanian Autor – art magazine and fair

Interview with Dan Piersinaru, founder of Autor Art Magazine and Fair

Text: Paulina Tsvetanova

Autor Magazine Contemporary Jewelry

Dan Piersinaru

Dear Dan Piersinaru, you are the founder of Autor – an open and active platform for contemporary jewelry designers in Romania. Tell us more about your background?

My main background is within visual arts. I have studied fine arts for 10 years and have begun my work as an artist by expressing myself through photography and video, mainly, and through contemporary art installations as well. When I am asked what I do, my answer is: I am a visual artist. It is what defines me. At the same time, I realise that it is, indeed, lacking precision, to say that you only have one background. After all, our background always consists of a multitude of things that contextually define different periods of our lives.

Autor 2016 - International Contemporary Jewelry Fair

How was born the idea of Autor Magazine?

The idea behind the Autor Magazine appeared in 2013, from my then-collaborator, Oana Tudoran. We met in London and she pretty much told me then: Dan, it would be really cool if you made a contemporary jewelry magazine! She is an extremely talented creative and I knew that, working with her, would lead to a wonderful project. So I told her, “If you’re in, we’ll make this magazine happen together”. It was a challenge, I had no idea what publishing a magazine implied.

The magazine has been released twice yearly?

Our initial wish was that Autor Magazine come out twice a year. Yet, I understood that for such a magazine of contemporary jewelry design, publishing it once a year is sufficient.

Autor Magazine has a very well defined concept. It intends to present contemporary jewelry in relation to the human body. Each edition has a different theme. We create a submission with at least three months in advance, receive proposals from artists and then select those proposals that we consider most innovative, connected to the proposed theme, and the relation between the jewelry piece and the human body.

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“Faur” – Roma Inspiration Jewellery by Nadja Zerunian & Nevers Mesteshukar Butiq from Romania ★ Selected for AUTOR 2016 Faur is the third collection made by the Austrian designer Nadja Zerunian and the Roma craftsman Nevers (Radu Ion) under the social project Mesteshukar ButiQ. The collection is inspired from the old Roma legends and it is an investigation into the past of the travelling Roma people. Through out the centuries the Roma people travelled the world and enriched themselves with the knowledge of craft. They became some of the best silversmiths creating amazing jewellery items that are now preserved by unique techniques and artistry.

What is the USP of the Autor Magazine compared to other magazines such as Art Aurea, Current Obsession, and platforms like Klimt, AJF?

First of all, Autor Magazine is an experiment. It is part of the Autor platform and, at this moment, it doesn’t have a commercial component to pressure us. What we are keen to do through this magazine is express our creativity and vision regarding contemporary jewelry. Autor Magazine is, first of all, a pet project. I don’t know how the other magazines are published, but all I can say is that, surely, coming up with such a project in print is not an easy thing to achieve today. I am pleased and glad that there are other similar magazines coming out and I wish for them to continue on with the wonderful projects that they have begun. Autor Magazine is a physical object at the moment; it does not have a digital extension as of now.

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Autor @ do you read me?!

Who are your international partners?

We have great collaborations with Chrome Yellow Publishing (UK), Alchimia Jewelry School (Italy), Joya Barcelona, Athens Jewelry Week, myday-byday (Rome), Galerie Ra (Amsterdam), Galerie Beyond (Antwerp), Moquii, do you read me?!, Paulina’s Friends (Germany), and many others. These are friends who believe and back up our every endeavor in promoting and selling the magazine.

Photo Credits: Ionut Dobre

Autor Contemporary Jewelry Art Fair, Photo Credits: Ionut Dobre

In addition you founded the Autor art jewelry fair, right? Tell us more about this initiative…

Autor, the international contemporary jewelry fair, is our first project, which began in 2009. Later on, it became a platform that now includes the Autor magazine, a website, and a promoting mechanism for young artists from the contemporary jewelry design domain through the awarding of special prizes meant to stimulate and help them in this field.

Do you have an own gallery?

Not yet 🙂

Autor bijuterie contemporana, Autor magazine, revista de bijuterie,Autor contemporary jewelry fairconan prdan piersinaruliana vasilescuionut dobreanca adina cojocaruandreea dragutelena bululeteautor team

Autor Team

Meanwhile you are recognized beyond the borders of Romania. How did you manage this? How big is your team?

At this moment, the Autor fair is 60% international. Our development in an international direction began in 2013 and it is in a continuous expansion ever since. My only explanation is that I owe it to social media. Our entire development, both locally and on an international scale, has been organic. The main team behind the event is composed of two people, and at times, when we have ongoing projects, the team may grow to up to six people.

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„The Human Soul“ collection by Lucienne’s jewelry ★ Selected for AUTOR 2016 Foto: Egor Tetiushev Models: Alexandr – homeless & Ilinca Emanuelle Pendant: „Reborn“ Crown: „Psiheya“ – between Up and Down“ Materials: gold leaf, bone, horsehair Fashion design: Iulia Glibiciuc

The art jewelry market is a very special one. How would you describe its features and differences to the rest art market?

If we are to compare the two fields, my first thought regarding art jewelry would be that it is always in a relation with the human body. It is an aspect that should not be neglected when we think of what the difference is between the art market and the contemporary jewelry market. A jewel remains just that even when it is a piece of art, when it is worn, taken out into the world and perceived in relation to its owner.

Photo Credits: Ionut Dobre

Is Romania an important country in the art jewelry market and why?

Every place, every country has a special role to play in the contemporary jewelry domain. Every country has its specific, and this is extremely important because it maintains its variety and creative spirit. Romania has its important role in this field, and what we are doing right now is to define the future alongside other creative areas in the world.

AUTOR 2016 ★ By Corrina Goutos – representing Germany, from America ★ Based on my exploration of the archetype of The Souvenir, my current collection looks at the things we take, imbue with a memory, place or moment, and the objects and traces that we leave behind in the process. The ephemeral dialogue between man’s rituals and nature’s forces; between environment and inhabitants. In a culture of convenience, consumption and transience, I seek out the lost and found objects and site installations that have the memory of a person. They are the unfinished stories of affection, and neglect, visible in objects we interact with.

Does the Romanian society support your initiative? What could be improved? Your perception on chances, perspectives, risks and opportunities there?

We wouldn’t be where we are today without the Romanian society! There are many things that could be further developed regarding the creative industries in Romania and Eastern Europe. We are confronted by certain aspects that, for example, in Western Europe have long been settled. One of them has to do with the lack of adequate spaces to sustain and develop a fair in, be it addressing jewelry or contemporary art. The risks are connected to the fact that, in the absence of special attention from the state towards these creative fields, it can in time block their development. The opportunity mainly consists of the fact that things are only just beginning and have this pioneering component, and so there is plenty of curiosity and openness from the public towards these fields. Curiosity, the wish for evolution, discovery, and research, are all elements which make society alive and vibrating.

Thank you, dear Dan, for this interview!

helmi_lindblom

Helmi Lindblom

 

Design Sammeln?

Design Sammeln?

Design Sammeln?

Interview mit dem Frankfurter Galeristen und Sammler Frank Landau

Text: Paulina Tsvetanova

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Frank Landau

Herr Landau, wie wird ein Interior Designer Galerist?

Eigentlich komme ich aus der IT-Branche und eigentlich bin ich dann nur meiner Leidenschaft gefolgt, die eben genau die Schnittstelle ist, die zwischen Kunst & Design liegt.

Show: FAVORITES II - for sale, Foto: Katarina Ivanisevic Frank Landau

Show: FAVORITES II – for sale, Foto: Katarina Ivanisevic

Sie kuratieren und verkaufen handverlesene Designobjekte, Interior Design, aber auch bildende Kunst. Erzählen Sie uns bitte ein wenig mehr über die Positionen, die Ihre Galerie vertritt.

Eklektizismus! Außerdem verkaufen und handeln wir nur mit Objekten die wir selbst schätzen, mit denen wir auch unsere eigenen Räumlichkeiten bestücken würden. Es ist nicht in unserem Sinne mit Gegenständen zu handeln, nur um damit Geld zu verdienen. Wir geben den Objekten ihre Aufmerksamkeit und ihren Wert.

Show: Selectedy by, Foto: Katarina Ivanisevic Frank Landau

Show: Selectedy by, Foto: Katarina Ivanisevic

Design berührt und beschäftigt die Menschen auf eine unmittelbarere und zugänglichere Weise als Kunst, finde ich. Wie tickt die Designszene? Was haben die Kunst- und Designszene gemeinsam, was sind die Hauptunterschiede? Was können sie voneinander lernen?

Kunstgalerien haben es in dieser Hinsicht leichter als Designgalerien. Ein Maler fertigt Einzelstücke in Serie, nicht selten tausende Werke in seiner Schaffenszeit. Ein Designer macht hunderte Entwürfe, bis er den Prototypen vor sich stehen hat, der dann in der Regel nicht in die Galerie sondern in Serienproduktion geht. Kein Wunder, dass es weit weniger wichtige Designobjekte im 20. Jahrhundert gibt als wichtige Kunst. Corbusier hat in seinem Leben zehn bedeutende Möbel gemacht, die Geschichte geschrieben haben. Das Gesamtwerk von Picasso wird auf 50.000 Werke geschätzt.

Wie ticken die Sammler von Design? Und die Kunstsammler?

Die Trennung zwischen Design und Kunst wurde spätestens im 21. Jahrhundert so gut wie aufgehoben. Wer heute große Kunstwerke und keine Designobjekte besitzt, hat die Zusammenhänge meiner Meinung nach nicht verstanden. In jeder Zeit der Kunstgeschichte gab es die passende Architektur – und das zugehörige Design. Dennoch werden wohl noch einige Jahre vergehen, bis man Designgeschichte studieren kann und das Thema nicht nur im Kunsthistorik-Studium angeschnitten wird.

Welches Verhältnis haben Sie persönlich zur Wertsteigerung von Kunst- und Designobjekten?

Der Design- und Kunstmarkt bzw. dessen Galerien sind ein Spiegel der Konsumgesellschaft. Wo eine anerkannte Sammlung zu besitzen in gewissen Kreisen als Statussymbol gilt. Wo Mobiles von Alexander Calder, Stühle von Jean Prouve und konservierte Schweinehälften von Damien Hirst nicht fehlen dürfen. Codes, die von guten Geschäftsleuten geschaffen werden, um dann in Büchern wie „Lofts in Paris“, hunderten Magazinen und abertausenden Blogs internationalen Hype zu erfahren. Mit Neugier, Experimentierfreude, mit Mut, mit eigener Persönlichkeit hat das wenig zu tun. Hier sind Kopisten am Werk, die keine eigene Haltung zu den Dingen haben.

Show: Kunstdesign nach 1945, Foto: Katarina Ivanisevic Frank Landau

Show: Kunstdesign nach 1945, Foto: Katarina Ivanisevic

PAULINA’S FRIENDS setzen sich dafür ein, schöne, zeitlose Kunst & Design-Artikel nicht nur einer gutsituierten „Stilelite“, sondern eben der Mehrheit der Bevölkerung zugänglich zu machen. Müssen wir hier vielleicht etwas auf gesellschaftspolitischer Ebene neu denken?

Vielleicht liegt es gerade in Deutschland auch am Schubladendenken, an der kaum stattfindenden Vermischung der Gesellschaft. Hippster-Nerds umgeben sich mit Hippster-Nerds, Punker mit Punkern, Kulturinteressierte mit Kulturinteressierten und Wohlhabende mit Wohlhabenden. Und gerade Berlin kann mit seiner hohen Dichte an Harz IV Empfängern so bald nicht mit der im wahrsten Sinne des Wortes hohen Kapitaldichte New Yorks mithalten. Verkaufe ich gerade deswegen einen Großteil meiner Ware in die Stadt, die niemals schläft?

Show: FAVORITES II – for sale, Foto: Katarina Ivanisevic Frank Landau

Show: FAVORITES II – for sale, Foto: Katarina Ivanisevic

Collecting Contemporary Jewelry

Collecting Contemporary Jewelry

Collecting Contemporary Jewelry

In conversation with Susan Cummins, board member of Art Jewelry Forum

Text: Paulina Tsvetanova

Susan Cummins

Susan Cummins

Susan, thanks for giving us this interview. Can you quickly introduce yourself and your role with the Art Jewelry Forum?

Yes, thanks for asking me. By way of introduction I will tell you a story. While visiting a church in Florence in the 1960s, I became aware that I was totally captured by the fresco in front of me. I had always loved to draw but this experience revealed that I also loved to see – and in fact I loved looking more than making. So after I made my way back to America I studied art history, then opened an art gallery, and in the process eventually found my way to the craft world and art jewelry.

In the 1990s American collectors of craft were forming collecting groups that were dedicated to specific materials. There was a ceramics group, a glass group, a fiber group, but no jewelry group. I felt that jewelry needed a group too. So, with a number of other collectors and artists, we started the Art Jewelry Forum. Our intention was to educate the collector base to enable them to support the ever-more challenging jewelry coming out of the academic institutions here in America. We mainly did this through trips and interaction with jewelers, curators and gallerists.

With the advent of the computer and the global economy, we expanded the organization to include artists, curators, galleries and everyone who was interested in contemporary jewelry, wherever they lived. We started an active blog and then an online magazine to review exhibitions and books, express ideas and theories, and to interview active members of the community. With this increase in activity we hoped to form an archive about jewelry that everyone who might want to know more could access. We were doing our homework and making it available to others who wanted to research the field.

You are a collector of contemporary art jewelry. How and when did you fall in love with this field? Is there a personal story behind it?

Well, first I was a dealer, and only after I closed my gallery in 2002 did I become a collector. In the gallery I exhibited paintings, sculptures and jewelry. I loved all of it, but the jewelers in particular impressed me with their intelligence and skill. So despite the fact that I don’t wear jewelry, I began expanding my knowledge of it. In the gallery I had only shown American jewelers and had no knowledge of European jewelry. To remedy this, I arranged a trip to the two European capitals of jewelry (Amsterdam and Munich) with some other collectors and two artists who were familiar with those cities. It was a fantastic and very eye-opening trip, and my origin moment as a collector. That was the beginning of my serious intention to own these small and vital objects.

Pieces in Susan Cummins' art jewelry collection

Pieces in Susan Cummins‘ art jewelry collection

Many people have no idea what art jewelry in fact is. Jewelry is not only an adornment. How would you define it?

I recently read a description of art jewelry that I like very much, and this has become my current definition. In the book Ten Years of Precious Thoughts, Adrean Bloomard writes “Jewelry is one of the most ancient, psychologically complex communicative forms I know. One small object encapsulates millennia of cultural layers, ancestral beliefs and relational visions that are so complex and personal that it becomes a feared, venerated or even hated object.” Art jewelry is this kind of jewelry done with consciousness.

I personally collect vintage fashion, but I do not always wear it. Do you wear the jewelry you own? Do you regard jewelry as wearable art? Wearing art is an intimate relationship with you as a person…

No, I do not wear jewelry, but I am very interested in the restrictions implied by its life as a wearable object, and I consider this to be important to its meaning and value. There are many ways to look at jewelry, and its intimate relationship to the body is one aspect to ponder. The idea that it can also carry the memory markings from one wearer to another is also very interesting. For example, a ring changes form as it is worn, and when it is passed on to another person it carries the marks made by the earlier body.

In an Art Jewelry Forum interview, jeweler Monika Brugger commented that “Making brooches is not only about making beautiful compositions with different materials and forms, but it is also the fact that you make an object that is related to the human body. This will affect how the wearer is perceived by the viewer and by society. When I use a garment and when I sew the elements directly on the textile, I speak, among other things about the memory of a sorrowful period of my ‘national background.’ I also refer to jewels as a mark on the body, and to all the ways societies invent reasons to include or exclude a part of the human race by force or voluntarily. This is human damage.” She has some very deep thoughts about the relationship of jewelry to the body in this interview.

Many jewelers have had to think about this subject for themselves, and I love trying to decode how they’ve each done it.

Pieces in Susan Cummins' art jewelry collection

Pieces in Susan Cummins‘ art jewelry collection

Can art jewelry have a political or cultural message?

Yes. In fact I am currently involved in a project investigating this idea. In the 1970s and 1980s American jewelers were very active in making jewelry that included political commentary. From Fred Woell, who often ridiculed the role of corporate America, to Ken Cory and Kiff Slemmons, who commented on Native American Indian jewelry and the political plight of indigenous peoples living on reservations, there were many artists who protested against American politics and society. Political badges have also been prominent in the culture at large. The San Francisco gallery Velvet da Vinci had a show of artist-made badges a couple of years ago. Jewelry is very communicative in this way.

Susan, you are very proactive person, going to international shows, fairs, travelling a lot. Do some curators or experts help you to choose a piece, or do you rely only on your intuition when you decide to buy a piece?

I do have an art historian called Damian Skinner helping me to document and write about the pieces in my collection. I have found it great fun to work with him on this task, and it has clarified what I am interested in, and why. But the choice of jewelry is still very much mine – with advice from Rose Roven, my partner.

I also have collected art for a long time, and at one point Rose and I tried to use an art advisor to buy artwork for our house. Although we did end up with some great pieces, we also had a terrible time trying to make him understand what it was we wanted to see. Somehow the idea that we were interested in material-based art didn’t compute in his conceptually based art world. So we ended that relationship. Despite the fact that the art world has many consultants ready willing and able to help you find what you want, the craft world – and in particular the jewelry world –can’t claim the same. Why is that, I wonder? Don’t we take it seriously enough?

Pieces in Susan Cummins' art jewelry collection

Pieces in Susan Cummins‘ art jewelry collection

Which positions are present in your art jewelry collection? Can you talk about some significant pieces? Do you support also emerging artists?

The Rotasa Collection Trust (the legal name of our collection) is looking for contemporary jewelry that expresses the poetry and emotion of the primal human condition. With each piece we try to get to the basis of what makes jewelry so powerful to humans from a deep psychological place. There are a number of things that jewelry is known to do: adorn the body, declare status, and act as a talisman. That last one is really the driving force of our collecting. We try as much as possible to understand the mysteries of our existence through the feelings we attach to these small, but powerful objects.

Some of the significant artists I collect are Dorothea Prühl, Manfred Bischoff, Bernhard Schobinger, Warwick Freeman, and Kadri Mälk. Although I have some work by emerging artists, I tend to wait until they are a bit more mature. For example, I like the work of Attai Chen, Lola Brooks, Antje Brauer, Terhi Tolvanen and Tanel Veenre. I consider their work to be more developed conceptually and the craftsmanship to be more refined now they are entering their 40s and have passed the emerging stage.

Pieces in Susan Cummins' art jewelry collection

Pieces in Susan Cummins‘ art jewelry collection

What about the value of contemporary art jewelry? Can we also buy art jewelry as an investment, despite or precisely because the art jewelry materials are not always “valuable”?

I am not sure what to say about this question. The prices for art jewelry have definitely gone up in the last couple of decades, and you can regard it as an investment, but there are many market forces that should be in play in the field that are not. For example, art jewelry has been barely visible in auctions or secondary markets, so few independent prices have been set. Other markets, like the art market, use this as a way to establish more or less a true value. Although it isn’t always accurate, it acts as a balance to the dealer’s price.

A lot more work needs to be done, not only in the market place, but also in the research around the artists, and the field as a whole. This is something that Art Jewelry Forum has been trying to do for the past ten years. More books need to be produced with serious in-depth studies that explain why these objects and these artists are important. People believe books. They are impressive. We need lots more.

Tell us more about your perception of the art jewelry market – strengths, weaknesses, chances, and perspectives?

Again, I am not really sure what to say about this. I don’t think the market is super strong as it is. I think the economic model was pretty weak to start with, and so it might have to morph and change to keep going. Everyone complains that the audience is too small, and yet I am only aware of a handful of galleries who do things to expand it. Ornamentum, Sienna Gallery, Galerie SO, Galerie Marzee and a few others go to art or design fairs to reach a bigger audience. They will find a way to grow the field, and we have to give them lots of credit for the risks they are taking, which will help us all in the long run.

We are also seeing lots of new experimentation on the internet, and in artists’ cooperatives to try to find other ways to sell work. Schools continue to create determined and talented jewelers who will find a way to make part of their living from selling work. It has never been easy for artists to survive, and that is no different now or for this group of artists. It is a risky life choice, but an admirable one.

Susan Cummins' working place

Susan Cummins‘ working place

What is your relationship to other design and crafts? And to contemporary fine art?

As I mentioned earlier I have a contemporary art collection, but I don’t collect any other kind of craft or design. I read about everything, so I know a little bit about the wider field of visual arts, but mostly I know about art jewelry.

What should be the role of an art collector in general? What is your advice to young collectors?

I think collectors are responsible for supporting jewelry in many ways. Each collector, like each jeweler, has their own view of what they like and how they want to accumulate this work. I have worked with collectors for more than 20 years to try to establish their roles as serious and knowledgeable consumers of jewelry. In fact, that is why Art Jewelry Forum was started. I have enjoyed watching these people become more knowledgeable and more adventuresome in their purchases over the years. Many of these consumers have turned into collectors, and have given their jewelry to museums. In the process, they have not only helped to expose the field to other eyes, but also created opportunities for research and a new book in the form of a catalog to add to the argument for the value and validity of art jewelry. Other collectors, like Susan Beech, have given grants to encourage artists to do work they might not otherwise have the funds to make. Collectors can use their resources to do many things besides buying work. But whatever they do, we must all recognize their importance.

To young collectors – start where you are and grow.

Thank you very much for this interview, dear Susan!

Guter Wein braucht kein Aushängeschild

Guter Wein braucht kein Aushängeschild

Guter Wein braucht kein Aushängeschild

PAULINA’S FRIENDS limitierte Weinkollektion

Text: Paulina Tsvetanova

Weinkollektion Paulina's Friends

PAULINA’S FRIENDS limitierte Weinkollektion in Zusammenarbeit mit SAMESAME vereint sinnlichen Genuss auf mehreren Ebenen – die haptische Berührung eines geschmeidigen handgefertigten Unikats aus Recycling-Glas mit dem kräftigen Geschmack eines Jahrtausende alten Weins aus Thrakien. Kein Zufall also, dass selbst die Flasche beschwipst aussieht. Das Objekt existiert lange nachdem der Wein konsumiert wurde – ob als Flasche oder Vase entscheiden Sie selbst.

Guter Wein braucht kein Aushängeschild, dennoch:

Weinkollektion Paulina's Friends Samesame

Edition: 25 mundgeblasene Unikate

Rebsorte: Merlot

Weinstil: kräftiger, trockener, würziger Rotwein

Jahrgang: 2015

Qualitätsstufe: Reserva

Anbauregion: Thrakische Ebene, Südbulgarien; kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung

Füllmenge: 0,7 – 1,3 L

Alkoholgehalt: 13,3 % VOL.

Trinktemperatur: 15-17°C

Verschluss: Naturkorken

Allergenhinweis: enthält Sulfite

Preis pro Flasche: 75 €

Geschmack: Der klare rubinrote Rotwein weist intensive, vordergründige Aromen von reifen Trauben und schwarzen Beeren (Brombeere, schwarze Johannisbeere, Kirsche) auf. Hinzu kommen feine Holznoten. Der Geschmack ist weich, ausgewogen – am Gaumen spürt man seine stoffige Struktur, die sich zugleich saftig und samtig zeigt.

Weinkollektion Paulina's Friends Samesame

Bulgarischer Wein – Wiege der europäischen Weinkultur

In der Bronzezeit kultivierte man um das Balkangebirge wild wachsende Rebstöcke – Thrakien gilt als eine der Geburtsstätten des europäischen Weinbaus. Weinbau gab es in diesem Land schon im Altertum, als thrakische Stämme nördlich und südlich des Balkangebirges wildwachsende Rebstöcke kultivierten und einen ausgeprägten Kult zu Ehren des Gottes Dionysos betrieben. Zur Zeit des Römischen Reiches war thrakischer Wein ein begehrter Exportartikel nach Griechenland, Sizilien, Kleinasien und Ägypten. Diese uralten Erfahrungen wurden dann von den Slawen und Bulgaren übernommen. Im Mittelalter erreichte der Weinbau durch die Klöster mit ihren weitflächigen Weingärten einen Höhepunkt. Im Jahre 1393 wurde das bulgarische Reich von den Türken erobert. Den Bulgaren wurde in der 500-jährigen Herrschaft der Weinbau trotz islamischem Wein-Verbot erlaubt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Weinbau intensiv gefördert. Seitdem hat er sich zu einem enormen Wirtschaftszweig entwickelt. Bulgarien ist heute im Wein-Export weltweit im Spitzenfeld, in mehr als 70 Länder werden rund 90% der Produktion exportiert.

Solange der Vorrat reicht!

Prost!

Weinkollektion Paulina's Friends Samesame

 

Es gibt auch ein Leben vor dem Tod…

Es gibt auch ein Leben vor dem Tod…

Es gibt auch ein Leben vor dem Tod…

Ein Interview mit Lydia Gastroph, Inhaberin des Labels zur Förderung der Sterbe- und Lebenskultur w e i s s über den tod hinaus

Text: Paulina Tsvetanova

Liebe Lydia, Du kuratierst und verkaufst künstlerisch gestaltete Urnen und Särge von anerkannten und angehenden Kunsthandwerkern und Designern. Ein sehr unkonventioneller, innovativer Job! Nicht zufällig referierst Du als Vorbild-Gründerin beim jährlichen Entrepreneurship Summit. Ist Dein Job Deine Berufung?

Liebe Paulina, ja, in meinem Unternehmen w e i s s über den tod hinaus verkaufe ich von namhaften Künstlerinnen und Künstlern entworfene und von ihnen selbst angefertigte Särge, Urnen und Trauerschmuck. Gleichzeitig kuratiere ich Ausstellungen in Galerien, Hospizen, Kirchen und an anderen schönen oder außergewöhnlichen Orten zum Thema Abschiedskunst. Einen „Sargladen“ als Pop up Store in der Münchner Innenstadt habe ich auch schon betrieben. Auf vielfachen Wunsch meiner Kunden bin ich mittlerweile auch Bestatterin geworden. All meine Kraft, mein Durchhaltevermögen, meine Begeisterung, unendlich viel Zeit, Energie, Motivation und Liebe stecke ich in dieses Unternehmen. Es ist meine Berufung, meine Herzensangelegenheit.

Lydia Gastroph Foto: Miriam Künzli

Lydia Gastroph, Foto: Miriam Künzli

Dein Unternehmen w e i s s über den tod hinaus enttabuisiert das Thema Tod, Abschiednehmen, Sterben. In Deutschland wie in anderen Wohlstandsgesellschaften leider sehr verdrängt und unbequem. Heutzutage tun wir ja alles Mögliche um uns selbst zu optimieren und selbst den Tod zu umgehen, verhindern, nach hinten zu verschieben. Warum eigentlich? Der Tod ist eigentlich ganz normal und gehört zum Leben. Ist Deine Firma aus dem tiefen Wunsch nach gesellschaftlichem Umdenken entstanden, oder gab es eine persönliche Geschichte?

Grundsätzlich versuche ich, Vorhandenes zu hinterfragen und neu zu denken: Muss es zwingend so sein wie es ist? Gibt es Möglichkeiten etwas zu verbessern, zu verschönern, menschlicher, nachhaltiger, umweltfreundlicher zu gestalten? Dabei bin ich zum radikalen gesellschaftlichen Umdenken bereit. Es erfordert Mut, sich dem Tabuthema Tod zu stellen und sich mit Grenzerfahrungen auseinander zu setzten. Tief berührt war ich als junges Mädchen vom Tod meiner Schulkameradin, die mit 17 Jahren an Leukämie gestorben ist. Bei Ihrer Beerdigung empfand ich den altmodischen, schweren, massiven Sarg als nicht zu ihr passend. Ich fragte mich bei Beerdigungen später oft, ob das was ich da sah, wirklich so trostlos, und ein Sarg industriell gefertigte Massenware sein muss. Das Schlüsselerlebnis zur Gründung meines Unternehmens war dann die Diagnose einer unheilbaren Krebserkrankung meiner jüngeren Schwester. Dadurch wurde bei mir ein Prozess der tiefgreifenden persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben, Tod und Abschied nehmen in Gang gesetzt. Meine Schwester wollte ihren letzten Abschied selbst gestalten und ich wollte noch etwas Schönes für sie tun, einen letzten Liebesdienst sozusagen. So machte ich es mir mit meinem Unternehmen w e i s s über den tod hinaus zur Aufgabe, dem von mir schon lange empfundenen Defizit in unserer Trauerkultur eine ästhetische, künstlerische, individuelle Abschiedsgestaltung entgegenzusetzen.

Deine „Produkte“ sind Begräbniskunst, die sich schon zu Lebzeiten als Truhe, Urne, Schrank, Sitzbank etc. verwenden lässt. Ist die Multifunktionalität der schlichten, modernen Gefäße aus verkaufstechnischen Gründen gewollt oder bewusst ins tägliche Leben integriert, damit die Kunden von der „Urfunktion“ der Gefäße nicht abgeschreckt werden?

Ich lege sehr großen Wert auf die Ästhetik, die Schönheit und die hochwertige künstlerische und handwerkliche Gestaltung der letzten Dinge. Unser Gehirn reagiert auf unangenehme visuelle Reize mit Angst und Ablehnung. Deswegen halte ich es für klug, der Unfassbarkeit des Todes eine bewusste, künstlerische Gestaltung entgegenzusetzen. Da sich meine Produkte sowohl die Särge, als Möbelstücke, als auch die Urnen als Vasen oder Gefäße problemlos in ein modernes Wohnumfeld integrieren lassen, haben wir die Möglichkeit uns alltäglich mit dem Tod – der ja jederzeit in unser Leben treten kann – auseinander zu setzten. Ganz pragmatisch gesehen ist die Multifunktionalität der Gegenstände sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Wenn wir bedenken, dass jeder Einzelne von uns per Gesetzt im Sarg beerdigt oder verbrannt werden muss, so ist es doch sinnvoll, diesen schon zu Lebzeiten als Schrank oder Truhe zu benutzen.

Urne Lydia Gastroph, Inhaberin des Labels zur Förderung der Sterbe- und Lebenskultur w e i s s über den tod hinaus

Urne „In Deinen Händen“ von Kati Jünger

Viele junge, gesunde, lebende Menschen kaufen sich solche Urnen und Särge und stellen sich diese ins Wohnzimmer. Ist das nicht ein wenig gruselig? Möchten sich diese auf einer künstlerischen Ebene mit der eigenen Vergänglichkeit, mit dem Unbegreiflichen und Unkontrollierbaren auseinandersetzen?

Meine Erfahrung im Umgang mit den letzten Dingen hat gezeigt, dass diese Produkte die Menschen zum Nachdenken anregen und sie Erleichterung verspüren, endlich mal auf ganz unbefangene Weise über das Thema Tod kommunizieren und Fragen stellen zu dürfen. Menschen, die ganz bewusst ihre Beerdigung vorbereiten wollen, haben mir mitgeteilt, dass es für sie beruhigend ist, ihre letzte Behausung zu kennen. Es öffnet den Weg, sich auch mit den Angehörigen und Freunden über Sterben, Tod und Bestattung auszutauschen und Wünsche zum eigen Abschied formulieren zu können. Bei Gästen und Freunden, die mich zu Hause besuchen, beobachte ich ein großes Erstaunen darüber, wie schön das aussehen kann und wie unproblematisch es sich anfühlt, zwischen den unzähligen Särgen und Urnen – die meine Wohnung bevölkern – zu leben. Hier gruselt sich niemand vor meinem Sargschrank, der in meinem Wohnzimmer steht, im Gegenteil es regt zur Nachahmung an. Man kann ganz einfach begreifen: Der Tod gehört zum Leben dazu.

Lydia Gastroph, Inhaberin des Labels zur Förderung der Sterbe- und Lebenskultur w e i s s über den tod hinaus

Abschiedskunst: Großer roter Sarg und Blumendekoration von der Blumenkunstschule Weihenstephan

Seltene, individuelle Särge und Urnen sind ein Teil der „künstlerischen Inszenierung des Todes“. Ist diese Vorstellung nicht etwas pietätlos aus christlicher Sicht?

Für mich selbst und für andere zu sorgen, mir selbst und meinen Mitmenschen Liebe und Wertschätzung entgegen zu bringen ist ein christliches Gebot. Dieses Gebot endet nicht mit dem Tod eines Menschen. Individuelle Gestaltung der „letzten Dinge“ ist wie ein letzter Liebesdienst. Jemandem auf seine „letzte Reise“ etwas besonders schönes mitgeben zu wollen, ist Ausdruck einer besonderen Wertschätzung. Vor zwei Jahren bin ich zum katholischen Glauben konvertiert, nicht zuletzt weil mich künstlerisch gestaltete Kirchenräume anziehen und faszinieren. Wären diese Räume dann etwa auch pietätlos aus christlicher Sicht?

Ruth im Sargladen Lydia Gastroph, Inhaberin des Labels zur Förderung der Sterbe- und Lebenskultur w e i s s über den tod hinaus

Ruth, verstorbene Schwester von Lydia Gastroph im Sargladen. Sie hat w e i s s über den tod hinaus den größten, entscheidenden Impuls gegeben

Deine Kundschaft legt sicherlich einen hohen Wert auf ästhetische Gestaltung, Nachhaltigkeit und ethische Werte. Das kann den Verstorbenen trotzdem nicht ins Leben zurückholen, dennoch die Trauer etwas mildern und verschönern. Wie würdest Du Deine Kunden beschreiben?

Meine Kunden sind meistens Menschen, die sich mit Kunst, Kultur und Gestaltung auseinander gesetzt haben, oder aus diesem beruflichen Umfeld kommen und so beerdigt werden wollen, wie sie gelebt haben. Viele stammten zunächst aus meinem künstlerischen Freundeskreis. Sie waren begeistert, dass ich etwas anbieten konnte, was zu ihren Vorstellungen und ihrer Lebensweise passt. Nun hatten sie die Möglichkeit, dem – wie sie es nannten „optischen Grauen bei Beerdigungen“ – entgehen zu könnten. Andere wurden auf der Suche nach neuen Formen der Abschiedsgestaltung übers Internet auf mein Unternehmen w e i s s aufmerksam, oder als Besucher meiner Ausstellungen und Vorträge.

Urnenbestattung Lydia Gastroph, Inhaberin des Labels zur Förderung der Sterbe- und Lebenskultur w e i s s über den tod hinaus

Urnenbestattung, Abschied von Rhino

Warum musstest Du noch Sterbebegleiterin und Bestatterin werden? Reicht nicht die künstlerische Konzeption einer Beerdigung aus oder gehört die Dienstleistung unabdingbar dazu?

Ich bin keine ausgebildete Sterbebegleiterin, begleite aber meine Klienten auf deren Wunsch auf ihrem gesamten letzten Weg über den Tod hinaus. Ich fungiere überwiegend als Mut-Macherin, Eigeninitiative in der Abschiedsgestaltung zu ergreifen und als künstlerische Bestattungs-Beraterin. Ich möchte den Menschen die Angst nehmen, den letzten Abschied selbst zu gestalten und auch durchzuführen. Auch in diesem Bereich können wir uns zu mündigen Bürgern entwickeln, die selbstbestimmt handeln und gut informiert sind, damit sie wissen, wie sie Ihre Wünsche in die Tat umsetzen können. Ein längst überkommenes Obrigkeitsdenken hat an dieser Stelle nichts verloren. Schön ist, dass ich mittlerweile auf ein großes künstlerisches Netzwerk zurückgreifen kann, das ich über die Jahre aufgebaut habe und bei Bedarf meinen Klienten zur Verfügung stellen kann.

Urne im Entstehen - in der Werkstatt von Kati Jünger

Urne im Entstehen – in der Werkstatt von Kati Jünger

Zu den Bestattungen lädst Du Musiker und Literaten ein, die eine Bestattung als unvergessliche Performance gestalten. Was für eine schöne Würdigung des Verstorbenen. Also legst Du einen großen Wert darauf, dass sich Deine Rituale von den herkömmlichen unterscheiden. Was wird gespielt, vorgelesen, gesungen?

Rituale sind kulturell eingebundene Handlungsabläufe, die Sinn machen und Halt und Orientierung geben. Ich möchte keinen Trends nachgeben, oder Unernst im Ritual. Rituale bilden sich über lange Zeiträume heraus und haben einen tiefen Sinn. Christliche Rituale zum Beispiel spenden Trost durch den Glauben an die Auferstehung. Im Rahmen einer Abschiedsfeier versuche ich die Angehörigen und den Freundeskreis zu motivieren, selbst vorzutragen oder zu musizieren. Ich spreche Empfehlungen aus: Musik, die live gespielt wird, Schauspieler, die Lyrik oder Literatur vortragen, da kann z. B. gerne mal ein Robert Gernhardt Gedicht dabei sein. Tanz, oder auch Märchen, die ja symbolische Lebensweggeschichten sind. All das auf höchstem künstlerischen Niveau. Wichtig dabei ist, der immergleichen „Musik vom Band“ Live Musik entgegenzusetzen – auch und besonders das Neue und Unvorhergesehene, noch nie gehörte, extra zu diesem Anlass komponierte. Ich biete an, dass Menschen, die ihre eigene Trauerfeier planen wollen, ihre Musik von Musikern, die später am Grab live musizieren, einspielen und auf CD brennen lassen können. Ich habe eine sehr bewegende Live Performance am Grab erlebt mit den Lieblingsstücken „Stark wie Zwei“ von Udo Lindenberg und „Nur zu Besuch“ von den Toten Hosen. Beides konnte die Auftraggeberin vor ihrem Tod anhören so oft sie wollte.

Was ist die größte Herausforderung bei Deinem Job? Vielleicht magst Du uns eine unvergessliche Situation aus Deinem beruflichen Alltag erzählen.

Klingt jetzt wahrscheinlich seltsam, aber die größte Herausforderung ist für mich, für meine Dienstleistungen Rechnungen zu schreiben, denn ich lebe von dem Tod anderer Menschen. Das hinterlässt immer ein ungutes Gefühl bei mir, denn der Kontakt zu den Menschen, mit denen ich in dieser sehr persönlichen bis intimen Situation zu tun habe, wird meistens sehr intensiv, da wird es für mich schwer die Grenze zwischen Freundschaft und Geschäft zu ziehen. Unvergessliche Situationen gibt es viele. Viele davon sind zu privat, als dass ich sie erzählen könnte. Ich denke oft daran, wie sich die weiß gekachelte Pathologie eines Krankenhauses durch die besondere Ausstrahlung eines unserer Särge plötzlich in einen fast kontemplativen, spirituellen Ort verwandelt hat. Wie einer unserer todkranken Klienten sich seinen roten Sarg von uns in das unbenutzte Schwimmbad seines Bungalows hat liefern lassen und uns dabei begeistert fotografierte. Wie meine sterbende Schwester mich eines Abends gebeten hat, ihre von einer Textilkünstlerin für sie persönlich handgefilzte Sarginnenausstattung und ihre Sargkleidung, die sie sich selbst zurecht gelegt hatte, vor ihrem Krankenbett auszubreiten. Mit der Bemerkung: „Schön, gefällt mir. Ich bin zufrieden. Du brauchst es nicht mehr einzupacken“ schickte sie mich nach Hause. Am nächsten morgen ist sie gestorben.

Lydia Gastroph, Inhaberin des Labels zur Förderung der Sterbe- und Lebenskultur w e i s s über den tod hinaus

Abschied von Rhino

Möchtest Du mit w e i s s über den tod hinaus Deinen Kunden und Mitstreitern die Angst vor dem Tod nehmen?

Nein, das wäre ja vermessen. Die Angst vor dem Tod kann jeder nur für sich selbst in den Griff bekommen. Ich glaube aber, dass die Auseinandersetzung und das tägliche Denken an den Tod zur Lebensklugheit beiträgt.

„Alle Kunst entsteht aus Angst vor dem Tod“ sagte einst Hermann Hesse. Wie ist Dein persönliches Verhältnis zum Tod?

Angst vor dem Tod ist für mich tatsächlich ein zentraler Impuls, mich auf künstlerischer Ebene mit Sterben und Tod auseinanderzusetzen. Mich faszinieren die damit verbundenen Grenzerfahrungen, die sich in der Kunst widerspiegeln. Angst vor dem Tod setzt bei mir ein Daraufzugehen, nicht ein Verdrängen, in Kraft, ganz nach dem Motto: „Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.“

Lydia Gastroph, Inhaberin des Labels zur Förderung der Sterbe- und Lebenskultur w e i s s über den tod hinaus

Foto Totenbett, Fotocollage von Özen Gider, Sarginterior von Bea Grawe

Weißt Du wie Deine eigene Bestattung aussehen soll?

Hauptsache, die, die mich dereinst bestatten, wissen es. Ich spreche oft darüber und hoffe, dass einige meiner Wünsche auf fruchtbaren Boden fallen. Wichtiger ist es mir allerdings, dass ich so sterbe, wie ich es mir erhoffe, nämlich nicht plötzlich und unvorbereitet, sondern ganz bewusst, aber schmerzfrei und in dem Hospiz meiner Wahl zu dem ich heute schon freundschaftliche Kontakte pflege und dass es mindestens einen Menschen gibt, für den dann sozusagen die Uhren stehen bleiben, der dann alle Zeit der Welt hat und nicht in die Arbeit oder zu anderen Terminen muss, um mich über den Tod hinaus zu begleiten. Meinen Sargschrank für danach habe ich ja schon zu Hause stehen, den muss man nur noch flach legen und die Regalböden herausnehmen, dann möchte ich darin gerne offen aufgebahrt werden. Wenn ich jetzt sterben würde, wünschte ich mir eine kirchliche Trauerfeier mit dem Pfarrer meiner Wahl, von dem ich weiss, dass er die richtigen Worte findet. Mein künstlerisches Netzwerk wird sicher einen schönen unkonventionellen Beitrag zur Abschiedsfeier leisten. Es darf ruhig romantisch sein, es darf geweint werden, es darf traurig sein und schwarz darf auch anziehen wer will. Zur Stärkung danach sollte es aber einen üppigen und ausgezeichneten Leichenschmaus geben, so dass sich die Tische biegen. Mein größter Wunsch ist, das all das passiert, ohne dass ein Bestattungsunternehmen eingeschaltet wird, also eigentlich ein Gemeinschaftsprojekt meiner Angehörigen und Freunde. Lasst Euch sagen: Ihr schafft das!

Woher schöpfst Du Kraft, um die persönlichen Schicksale der Verstorbenen und deren Angehörigen nicht zu nah an sich ran zu lassen? Geht Mitfühlen und Mittrauern ohne mitzuleiden?

Stille und Natur sind für mich die größten Kraftquellen überhaupt. Ich habe in meiner näheren Umgebung ein paar Kraftorte für mich entdeckt, wohin ich mich nach Bedarf zurückziehe. Dort bin ich alleine und kann in das Hier und Jetzt versinken, weltlicher Schmerz, Trauer, Mitgefühl, Mitleid und Selbstmitleid relativieren sich. Kann ich nicht in die Natur fahren, suche ich Kirchenräume auf, meistens architektonisch modern gestaltete, die nicht ablenken von der inneren Anschauung. Außerdem gehe ich regelmäßig Sonntags in den Gottesdienst, das strukturiert meine Arbeitswoche und lässt mich inne halten, schenkt mir Trost und lässt mich das was ist reflektieren. Ich fühle mich dadurch in einer größeren Gemeinschaft geborgen und willkommen. Ich bin möglichst oft in meiner Wahlheimat Griechenland, wo ich neue Kraft schöpfen kann, das Licht dort heilt alle Betrübnis.

Trost Lydia Gastroph, Inhaberin des Labels zur Förderung der Sterbe- und Lebenskultur w e i s s über den tod hinaus

Trostbecher, Porzellan von Elisabeth Klein, Blumen von Anna Lindner

Was ist der größte Trost für die Menschen, die wissen, dass sie bald sterben? Und für deren Angehörige? Was kann ein Lebender vom Tod lernen?

Ich habe auf dem Entrepreneurship Summit einen wunderbaren Vortrag von Heini Staudinger gehört. Wie er möchte ich bei dieser schwierigen Frage am liebsten Rilke zitieren: „Und wenn ich abends immer weiter ginge aus meinem Garten, drin ich müde bin, ich weiß: dann führen alle Wege hin zum Arsenal der ungelebten Dinge“. Staudinger interpretiert das so: Ein Arsenal ist eine Waffenkammer. Wenn die sich mehr und mehr mit eigenem ungelebtem Leben füllt, dann füllen sich unsere persönlichen Waffenkammern mit immer mehr Aggression gegen uns selbst, gegen die Umwelt und gegen Mitmenschen. Was wir vom Tod lernen können ist, unser Leben in Achtsamkeit zu leben und unsere Endlichkeit nicht zu verdrängen, sondern sie bewusst zu akzeptieren.

Lydia Gastroph, w e i s s über den tod hinaus, Keramikvase mit Blumen

Urnenvase von Kati Jünger, Blumen von Anna Lindner

Hast Du auch Wunderheilungen erlebt? Also man hat sich auf den Tod eingestellt und ist trotzdem gesund geworden, alles war quasi umsonst?

Nein, aber ich hoffe, das erlebe ich noch.

Und was ist mit dem Leben nach dem Tod?

Sofern es das gibt, ein Leben nach dem Tod.

Eigentlich bist Du Goldschmiedin und Schmuck ist dein Erfolgsstandbein. Stellst Du auch sogenannten Trauerschmuck her? Wie unterscheidet er sich vom normalen Schmuck?

Trauerschmuck war um die Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts eine eigenständige Schmuckgattung. Ich selbst habe früher, um Trauer und Verluste zu verarbeiten ausprobiert, ob ich diese Gefühle in Schmuck verarbeiten kann. Ansatzweise ist mir das auch gelungen. Bergkristalltränen, die als Ohrschmuck getragen werden können und Ähnliches. Für mich war das Medium Schmuck aber nie so richtig geeignet, um es mit dem Thema Trauer zu verbinden, obwohl ich mittlerweile auch zeitgenössische Schmuckkünstler mit ausstelle, die sich in ihrer Arbeit ganz intensiv mit Themen wie Vergänglichkeit, Morbidität, Vanitasmotiven und ähnlichem beschäftigen. Aus diesen beiden beruflichen Polen ist wohl entstanden, dass ich meinem Unternehmen w e i s s über den tod hinaus das Zitat von Victor Hugo vorangestellt habe: „Der Tod und die Schönheit sind zwei tiefgründige Dinge, die ebenso viel Schatten wie Licht in sich tragen, als seien sie zwei Schwestern, schrecklich und schöpferisch zugleich. Dasselbe Rätsel und dasselbe Geheimnis bergend.“

Hans Baldung Grien, Tod und Weib, 1517. Als Verfolger, Liebhaber und Warner mit dem Stundenglas tritt der Tod auf Baldungs Bildern an die Frau heran. Als Kontrast zu ihrer blühenden Schönheit, aber wohl auch, weil die Frau das Leben gebiert.

Hans Baldung Grien, Tod und Weib, 1517. Als Verfolger, Liebhaber und Warner mit dem Stundenglas tritt der Tod auf Baldungs Bildern an die Frau heran. Als Kontrast zu ihrer blühenden Schönheit, aber wohl auch, weil die Frau das Leben gebiert.

Was würdest Du jungen Start-Ups mit auf den Weg geben?

Ich möchte Ihnen ans Herz legen, genauestens zu prüfen, ob ihre Gründungsidee und das was sie tun, stimmig zu ihrer Person ist und ob sie davon durch und durch ergriffen sind. Vieles ist heute austauschbar geworden. Die virtuelle Welt entzieht sich immer mehr der tiefen Sehnsucht der Menschen nach Nähe, Geborgenheit und gegenseitiger Fürsorge. Die zentrale Sehnsucht aller Menschen ist aber, zu berühren und berührt zu werden, nicht nur körperlich, sondern auch und vor allem im Inneren. Vernachlässigen Sie diesen Aspekt nicht, denn das sind die grundlegenden Bedürfnisse Ihrer zukünftigen Kunden. Tun Sie das, was Sie tun mit Liebe und: erlernen Sie eine Handwerkskunst.

Liebe Lydia, herzlichen Dank für dieseses wunderbare Interview!

w e i s s über den tod hinaus ist ab November bei PAULINA’S FRIENDS im BIKINI BERLIN repräsentiert.

Lydia Gastroph, w e i s s über den tod hinaus

Foto vom Sargladen, Stillleben an der Wand von Eva Jünger, Urnenvase von Kati Jünger